Jäger fördern „Agenda 21“ fürs Rotwild

Jäger fordern eine „Agenda 21“ fürs Rotwild

Wir leben in einer weithin der Natur entfremdeten Gesellschaft. Unsere Kinder kennen durchschnittlich zwölf Automarken, aber keine sechs Wildtierarten. Erwachsene verbringen mehr Zeit vor dem PC als in der freien Natur und verschließen nahezu zwanghaft die Augen vor dem Tod der Tiere, deren Fleisch sie genüsslich verspeisen. Dennoch halten 83 Prozent der Bundesbürger die Jagd für notwendig, und 81 Prozent sind der Meinung, dass die Jagd Wald und Feld vor Wildschäden schützt. Letzteres hat erst im Februar 2003 die repräsentative Umfrage eines seriösen Meinungsforschungsinstituts erbracht. Wenn die Jagd sinnvoll ist, wird sie folglich auch von der nachindustriellen „Computergesellschaft“ akzeptiert. Was bedeutet das für die hessischen Jäger und Förster? Wenn wir die Aufgaben erfüllen, die uns das Jagdgesetz und die Waidgerechtigkeit stellen, soweit als möglich gemeinsam, dann haben wir die Bevölkerung auch in Zukunft auf unserer Seite.
In diesen Tagen hallt der Brunftschrei der Hirsche wieder durch die Wälder und erinnert an die ursprüngliche Natur und stolze Kraft des „Königs der Wälder“, den schon die Urmenschen auf ihren Höhlenbildern als jagdliche Beute zu bannen suchten .
Rothirsche leben in Deutschland nur noch in behördlich genehmigten Gebieten.
Eine „Agenda 21“, die die artgerechte Existenz des Rotwildes langfristig sichert, hat der Landesjagdverband Hessen (LJV) gefordert.
„Dafür müssen breite Teilen der Bevölkerung gemeinsam für das Lebensrecht unseres größten freilebenden Säugetieres eintreten und den Rothirsch als unser aller Kulturgut anerkennen“.
Zu diesem „Bündnis fürs Rotwild“ müssten neben Jägern, Förstern, Waldbesitzern, und Landwirten auch Natur- und Tierschützer sowie alle Naturnutzer wie Freizeitsportler und Erholungssuchende ihren Teil beitragen. Es darf hier aber bei keiner dieser Bevölkerungsgruppen bei bloßen Lippenbekenntnissen bleiben. Jede müsse vielmehr auf die elementaren Lebensbedürfnisse dieser Wildart – nämlich Ruhe, ungestörte und artgerechte Nahrungsaufnahme auch am Tag und sein hohes Sicherheitsbedürfnis – Rücksicht nehmen und dafür ihre persönlichen Interessen ein wenig zurückstecken.
Jäger in Rotwildgebieten sollten grundsätzlich störungsarme Jagdarten bevorzugen und die Bejagung der Wildschweine nicht tief in die Nacht hinein verlagern, damit das Rotwild nicht rund um die Uhr beunruhigt wird. Auch dürfe der Hirsch seiner ansehnlichen Trophäe wegen nicht zum bloßen jagdlichen Prestige-Objekt verkommen. Das die Jagdpachtpreise in ungeahnte Höhen und die Jagdmoral in tiefe Niederungen treibt. Zudem müssten die Pächter von Rotwildrevieren grundsätzlich respektieren, dass der Waldeigentümer, der auf die Einnahmen aus des Waldbewirtschaftung angewiesen ist, keine ausufernden Wildschäden akzeptieren kann.
Zugleich müssen Förster und Waldbesitzer aber auch einen gewissen Umfang an unvermeidbaren Schälschäden dulden. Dies erweist sich jedoch in Zeiten, in denen die Holzpreise darniederliegen und der Wald kaum Ertrag abwirft oder sogar rote Zahlen schreibt, als besonders heikel. Für die waldbauliche Verbesserung des Lebensraums des Rotwilds und seines Nahrungsspektrums stünden da ohnehin kaum Mittel zur Verfügung. Zu überlegen sei deshalb, ob Waldbesitzer langfristig nicht grundsätzlich stärker von der öffentlichen Hand unterstützt werden sollten, wenn sie – bei an die Lebensraumkapazität angepassten Wildbeständen – mit ihrem Waldbau unser größtes wilde Säugetier und damit zugleich andere freilebende Tiere wie Luchs und Wildkatze besonders förderten. Wenn ein breiter Konsens über das Existenzrecht des Rotwildes besteht, ist es auch Sache der Allgemeinheit, dieses zu sichern. Die Jäger nähmen jedenfalls in dieser Hinsicht schon heute eine Vorreiterrolle ein und forderten eine wildökologische Raumplanung für wandernde Wildarten, die dem Wild zum Beispiel durch Grünbrücken und Wildampeln Vorfahrt vor dem Straßen- und Schienenverkehr gewährten.
Ferner müssten Naturnutzer wie Freizeitsportler, Erholungssuchende, Pilzsammler und alle Waldbesucher strikt auf die Bedürfnisse des Rotwildes Rücksicht nehmen. Das heißt, dass Wildruhezonen respektiert , die Verstecke des Wildes nicht behelligt und die ausgebauten Waldwege möglichst nicht verlassen werden. Hundefreunde sollten ihre Vierbeiner, deren Duftspur allein schon die Wildtiere abseits der Wege in Panik versetzt, stets anleinen. Und in der Nacht gehört der Wald grundsätzlich dem Wild.
Auch Naturschützer sollten stets mit Jägern und Förstern an einem Strang ziehen, wenn es um die Verbesserung des Lebensraums Wald für die freilebenden Tiere und die Vermeidung von Störungen geht. Rücksichtnahme auf das sensible Rotwild erfordere letztlich von allen Gruppierungen Selbstbeschränkungen – die sind indessen derzeit gesellschaftlich nicht gerade opportun.
Wir sollten darüber nachdenken, der Tier- und Wildart Rothirsch in Zukunft artgerechte Lebensverhältnisse zu schaffen, wie sie bis vor ungefähr 200 Jahren dem Rothirsch bei uns noch möglich waren.
Denn unsere Enkel werden uns nicht an gut gemeinten Absichtserklärungen, sondern an unserem waidgerechten Verhalten und den Ergebnissen unserer Jagd und des Waldbaus messen.

Pressewart des Jagdvereins DIANA
Michael Kircher

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